Hier sehen Sie Standbilder aus dem Film

"ZEIT OHNE ZIEL"

DVD-Coverumschlag
"Zeit ohne Ziel"
Die historische Dobrudscha umfasst das Gebiet zwischen dem Schwarzen Meer, dem Donaudelta und dem Unterlauf der Donau. In der Antike lebten auf dem Gebiet so genannte Geten, ein Zweig der mit den Dakern verwandten Thraker. Aber auch Skythen, ein Volk iranischer Herkunft siedelten bereits hier.

Und so geht es historisch betrachtet interessant weiter. Einst eine griechische Handelskolonie, wurde die Dobrudscha Mitte des 1. bis 3. Jahrhunderts Teil der römischen Provinz Moesia. Dann folgte eine byzantinische und später bulgarische Herrschaft. Im 15. Jahrhundert wurde das Gebiet von der Hohen Pforte erobert. Eine fast 500jährige Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich führte zu einer überwiegend türkisch-tatarischen Besiedlung. In dieser Zeit ließen sich weitere ethnische Gruppen nieder. Nach dem Schisma der russisch-orthodoxen Kirche von 1654 und einer Legalisierung der Verfolgung der Gegner der Reformen flohen etwa eine Million Altgläubige aus religiösen Gründen aus dem Zarenreich. Auch aus diesem Flüchtlingsstrom nährte sich die ethnische Vielfalt der Dobrudscha: In diesem Fall mit den russischen Lipowanern.

Auch heute finden sich eine Vielzahl äußerer Zeichen aus der Vergangeheit. So zu sehen in Ciucurova auf dem türkischen Friedhof.

Die sich in den Dörfern der Dobrudscha festgesetzte Tristesse kam besonders zum Zeitpunkt meiner Dreharbeiten im scheinbar nicht mehr Enden wollenden Winter zum Tragen. Die durch die steppenartige Landschaft von Norden her immer wieder einbrechenden Schneestürme ließen die Menschen nur noch selten vor ihre Türen treten. Und wenn es der Eine oder Andere doch wagte, dann meist nur, um sicherheitshalber schon an der Gartentür den Postboten mit der Rente abzufangen. Nicht selten führte dieser kurz angelegte Ausflug postwendend in die nahegelegene Kneipe, wo sich schon ein paar Kunden mit dem Aufwärmen ihrer klammen und durchgefrorenen Knochen beschäftigten.

Dieser fast schon wie ein Heiliger dreinschauende Lipowaner hätte tatsächlich das Zeug zu einem Heiligen gehabt. Wäre ihm nicht der Teufel Alkohol dazwischen gekommen.

Sein Ikonen malender Bruder hat inzwischen einen sprichwörtlichen Galgenhumor hinsichtlich der hoffnungslosen Situation, in der sich sein älterer Bruder befindet, entwickelt. Es war filmisch zwar reizvoll, diese Beiden szenisch zusammen zu führen, doch letztendlich mündete der Ausgang dieser Begegnung dramatisch in eine der ergreifendsten Drehsituationen, die ich bisher durchstehen musste. Seine große Flasche Wein musste ebenfalls dran glauben...

Ein kleines Lehmhaus, weit abgelegen am Ende eines ohnehin schon wie hoffnungslos daliegenden Dorfes erweckte mein Interesse. Erst vermutete ich darin eine Roma-Familie, doch wie groß war meine Überraschung, anstelle der Roma eine junge rumänische Mutter mit fünf hungrigen Kindern vorzufinden.

Schon als sie von Weitem aus dem winzigen Fenster ängstlich danach Ausschau hielten, was ihnen der Wind mit mir für eine Abwechslung ins Haus wehen würde, bekam ich eine Vorstellung davon, in welches Milieu ich kurz darauf geraten würde.

Es gibt sie noch, die an den Strassenrändern tagein und tagaus mit ihren Kühen herumziehenden Hirten. Und sie nehmen es gelassen hin, denn sie wissen, dass sie nicht so schnell eine bessere Chance zum Überleben erhalten werden.

Das sind Bilal und Seher eine der letzten türkischstämmigen Familien in Ciucurova. Der Friedhof ist bereits gut gefüllt, und wenn der ausser an großen Feiertagen die Gemeinde besuchende Pfarrer überhaupt noch vorbeischaut, dann wohl nur, um einen alten Gläubigen zu beerdigen.

Es gibt viel Anekdotisches zu erzählen, aber es gilt auch viele Tränen zu vergießen. Beide sind kinderlos geblieben, und jetzt, im Alter von fast 90 Jahren, wie Bilal gerade geworden ist, fehlen sie ihnen.

Gott sei Dank wurde in Cerna, einer meglenisch bewohnten Gemeinde, ein seit 60 Jahren nicht mehr ausgetragener Reiterkampf veranstaltet.

So blühte passend zur einsetzenden Schneeschmelze das dörfliche Leben zumindest in diesem Teil der Dobrudscha auf.

Meglenische Volkstänze dürften nicht allzu oft anläßlich eines Reiterkampfes zur Aufführung kommen. Die sparsame Begleitung der Tänzer mit einer Hirtenflöte machte ihre Darbietung für mich besonders spannend.

Der Gewinner des Pferderennens bekam als Preis ein Schwein geschenkt. Natürlich wurde es zur Freude der überwiegend männlichen Zuschauer standesgemäß eingeritten, bevor es seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt wurde. Etwas später wurde im aus EU-Mitteln finanziertem Stadium getanzt und gesungen. Auch das inzwischen zerlegte Schwein war mit von der Partie...
In Cerna gibt es vor Ostern mehrere besonders stimmungsvolle Totenmessen. In den sieben Wochen der Fastenzeit vor Ostern wird an jedem der sieben Samstage eine solche Messe gehalten. Nach dem fast einstündigen Vorlesen der Namen aller Toten wurden die Fastenspeisen gesegnet und an bedürftige Filmleute verteilt...
Noici Hristu aus Cernat wurde 1926 in Griechenland geboren. Allerdings kam er als einjähriges Kind in die südliche Dobrudscha nach Rumänien, bevor er im Zweiten Weltkrieg nochmals umsiedeln musste, da sich ein Bevölkerungsaustausch zwischen bulgarisch besiedelten Gebieten zu rumänischen und umgekehrt vollzog. Doch er ist im Alter glücklich geworden und lebt nun als ein echter Meglene in Cerna. Beeindruckend ist es, seinen Geschichten und den mit viel seelischem Tiefgang vorgetragenen Liedern in meglenischer Sprache zuzuhören.