Überliefertes Handwerk und ländliche Berufe in Obcina
1. Der Böttcher Stefan Kut aus Obcina,
Werkzeuge, Geräte und Arbeitsweisen

In Obcina zu leben bedeutet auch, sich mit dem notwendigen Arbeitsgerät- und Material selbst versorgen zu können. In diesem, für die Bewohner lebensnotwendigen Verhalten verbirgt sich eine Überlebenschance für altes, überliefertes Handwerk.
Wer in Obcina keine ausgeprägten handwerklichen Fähigkeiten besitzt, hätte keine Chance, für sich und seine Familie eine längere Existenz aufzubauen. Stefan Kut gehört zu den Menschen in Obcina, die sich in aller Stille und jahrelanger, zäher wie disziplinierter Selbstbeherrschung diese brauchbaren Fähigkeiten zulegen konnte. Er hat in den zurückliegenden, arbeitsreichen Jahren ein eigenes, sehr persönliches Verhältnis zum Holz entwickeln können, dem Material der Berge und Wälder (so spielt er oft auf seinen selbst gebauten Flöten, die neben dem Schlafplatz liegen). Nur noch wenige Menschen seiner Gegend beherrschen das Handwerk eines Böttchers. Und es werden jährlich weniger.
Über den persönlichen Gebrauch hinaus ist Stefan Kut in der Lage, sich und der Familie mit seinen Böttcherwaren einen zusätzlichen Lebensunterhalt zu sichern. Abnehmer sind in erster Linie Hirten der näheren Umgebung, die nach schlechten Erfahrungen mit jenen neuen, schlecht wie billig aus Plastik hergestellten Gefäßen wieder zu den besseren, wenn auch etwas teureren Holzgefäßen zurück gekehrt sind. Molkereiprodukte wie beispielsweise unterschiedliche Sorten von Schafskäse haben in diesen natürlichen Behältnissen eine deutlich längere Haltbarkeit. Auch die Qualität des Käses ist besser (er reift besser in Holzgefäßen), Argumente die Gewinn orientierte Hirten schnell überzeugen können. Und sogar die Widerstandsfähigkeit und sprichwörtliche Unzerbrechlichkeit der Böttcherwaren lassen die Hirten vermehrt zu den alten, traditionell überlieferten Behältnissen greifen. Unmißverständlich möchte ich hier anmerken, dass einzig diese praktischen Erwägungen der Hirten Stefan Kut einen kontinuierlich wachsenden Absatz bescheren. Ästhetische Beweggründe oder Empfindungen spielen beim Kauf keine Rolle. In ferner Zukunft wäre ein touristisch orientiertes Souvenier-Geschäft denkbar, doch Stefan Kut verschwendet daran keinen Gedanken. Warum auch, denn ein steter, seine Arbeitskraft auslastender Absatz ist ihm längst gesichert. Hat er ein paar Gefäße auf Vorrat gebaut (meist im Winter), dann nimmt er sich soviel Ware wie er transportieren kann, und geht hinunter zum Wochenmarkt nach Poienile de sub Munte.


Werkzeuge, Geräte und Arbeitsweisen

Die Fotoserie belichtet einige Arbeitsstufen während der Herstellung eines sogenannten "cofuta", eines kleinen Holzgefäßes zur Aufbewahrung gesalzenen Schafkäses, dem sogenannten "cas". Stefan Kut benötigte für die Herstellung dieses Gefäßes etwa sechs Stunden.
Ausgangsmaterial waren einige Scheite Fichtenholz, die er unmittelbar vor dem Arbeitsbeginn von einem Holzklotz abspaltete. In der Nacht zuvor hatte er etwa vier längere Holzscheite aus Eschenholz in eine (vom Haus/Attelier etwa 500 Meter entfernte) Viehtränke (ständige Wasserversorgung über eine Quelle) aufquellen lassen. Zuerst wurden die Holzscheite (Bild 1) zu kleinen Brettchen (Stärke 1 cm) gehobelt. Dabei achtete er darauf, eine Vielzahl unterschiedlich breiter Brettchen zu erzeugen, die sich später (Bild 5) gut und variabel austauschbar zu einem fest sitzenden Gefäßkranz aneinander legen lassen konnten. Um die Brettchen zu hobeln, drehte er seinen Handhobel auf die Rückseite, und klemmte ihn zwischen Schnitzbank und einem gegenüberstehenden Bett. Mit einem zweigriffigem und leicht gebogenem Abziehmesser gab er allen Brettchen eine Wölbung, so daß sich schon beim Aneinanderlegen der Brettchen die sich abzeichnende Form eines Gefäßes ergab. Nachdem die Brettchen fertig waren, schnitt und schnitzte er sich aus den Eschenscheiten zwei dünne (Stärke 4 mm) "Gürtel", die dem Gefäß später den eigentlichen Halt geben sollten. Ihre Länge berechnete er unter Verwendung seines eigenen Hosengürtels, indem er diesen um einen Holzrohling (geschnitzter Holzzylinder in der Form des späteren Gefäßes) wickelte, und das ermittelte Längenmaß auf die Eschenscheite übertrug. Darauf schnitzte er den Riegel und das Schloß (Bild 2 & 3). Um eine höchstmögliche Elastizität zu erzielen, bog er das langfasrige und deshalb elastische Eschenholz unter großer Kraftanstrengung an der Schnitzbank, bis sich die Gürtelringe schließen ließen. Nachdem er die passenden Brettchen in den zwei Holzgürteln aneinander ausgelegt und damit das Gefäß in seiner äußeren Begrenzung gebaut hatte (er schnitzte noch einen Henkel aus Hartholz, durch dessen Griff der obere Gürtel geschoben wurde), markierte bzw. kratzte er mit einem speziellem Werkzeug in die Brettchen (Bild 4) die Nut für die Bodenplatte. Vorher sägte er das Gefäß mit einer Bügelsäge auf die beabsichtigte Länge oben und unten zurecht. Die Bodenplatte schnitzte er derartig zurecht, dass der äußere Rand der Bodenplatte Dank seiner zugespitzten Kannte in der eingekerbten Nut des inneren Gefäßrandes fest verankert werden konnte. Den exakten Durchmesser des Gefäßbodens errechnete er mit einem Holzzirkel (Bild 6), dessen Radius sich genau sechsmal in den Gefäßboden schlagen lassen mußte, bevor der genaue Durchmesser der Bodenplatte sich aus dem Radius des Zirkels ergab. Die Bodenplatte gibt dem Gefäß einen entscheidenden inneren Gegendruck, durch welchen die Brettchen im höchsten Grade straff gegen die äußeren Gürtel gepreßt werden. Mit einem scharfen Schnitzring wurde darauf das Gefäß von Innen ausgekratzt, worauf die noch unterschiedlich starken Brettchen übergangslos aneinander saßen. Auch von Außen schnitzte Stefan Kut die Brettchen zwischen den Gürteln stufenlos glatt. Danach baute er schließlich den Deckel, der seinen Halt am oben etwas überstehendem Griff bekommt.

Zusammenfassend kann festgestellt werde, dass Stefan Kut ohne Strom auskommen muß und kann und dementsprechend über keine Maschinen verfügt. Einzig benötigte Werkzeuge zur Herstellung seiner Böttcherwaren sind ein Beil (er besitzt natürlich eine Vielzahl weiterer, sehr unterschiedlicher Beile und Äxte), eine Schnitzbank (in unseren Breiten manchenorts "Harzer" genannt), ein stabiles mit kurzer aber fester Klinge ausgestattetes Schnitzmesser (er hat sich sein Messer aus Deutschland mitbringen lassen), einen ca. ein Meter langen Handhobel, einen Holzzirkel, eine Bügelsäge, einen Nutkerber und ein paar verschieden stark ausgeprägte Schnitzringe. Das Werkzeug wird gewöhnlich vor oder während der Arbeit am Sennsstein geschliffen.
Neben diesem kleinen Gefäß "cofuta" genannt (Fassungsvolumen 1,5 Liter), dass sich nur sehr kompliziert aus Holz herstellen läßt (größere Gefäße sind während der Herstellung einfacher zu handhaben), stellt Stefan Kut noch weitere Böttcherwaren her. Es sind meist größere Gefäße gleichen Stils "cofa" (Fassungsvolumen 3,5 Liter), dann Fässer "budaca" in verschiedenen Größen (Fassungsvolumen von 20 bis 200 Litern) und eine Vielzahl weiterer Holzgefäße ("galeti", "jeandalau").