Die Geschichte des Gheorghe Grad
Vom Kirchenstifter zum Visionär eines ländlichen Tourismus
Diesen alten Mann - Gheorghe Grad - sollte man beim Aufstieg nach Obcina unbedingt besuchen. Sein Hof ist relativ leicht zu finden, denn es ist das letzte Haus (gegenüber einer kleinen Kirche am Weg gelegen) in der lockeren Reihe der zahlreichen, sich kilometerlang das Weintal hochziehenden Häuser und Gehöfte.

Er lebte seit dem Tod seiner Frau 1997allein in seinem Gehöft. Seine Kinder und Enkelkinder haben es zum Teil bis zur Bezirksstadt nach Baia Mare gebracht. Abgesehen vom mittlerweile stolzen Alter und der erstaunlichen Tatsache, daß er auch so betagt noch täglich der harten, bäuerlichen Arbeit nachgeht, ist er in der Gegend durch eine nicht gerade selbstverständliche Wohltat bekannt geworden. Vor etwa zwanzig Jahren - also noch in der orthodoxen- kommunistischen Vergangenheit - brachte er und seine Familie es fertig, aus gänzlich eigenen, entsprechend bescheidenen Mitteln mit Hilfe von weiteren Gläubigern eine kleine Kirche neben seinem Gehöft aufzubauen. Die Steine für das Fundament brach er unter großen Anstrengungen aus einem Felsmassiv unterhalb von Obcina. Es gelang ihm, den Preoten von Viseu de Mijloc (Ioan Dunca) zu überreden, ihm sein Kirchlein von Innen mit religiösen Motiven auszumalen. Selbst diese, für einen Autodidakten wie den Popen von Mittelwischau ziemlich schwierige Aufgabe, kann man mit Augenzwinkern als gelungen ausgeführt bezeichnen. Wer sich sein eigenes Bild von der Kirche machen möchte, kann fast zu jeder Tageszeit zusammen mit Gheorge Grad das Kircheninnere betreten. Interessant sind auch die Familiengräber auf dem Friedhof neben dem Kirchlein. Denn es ist in Rumänien bisher nicht untersagt, sich und seine Liebsten an einen geeigneten Platz eigener Wahl zu bestatten.

Zukünftige Besucher sollten sich für den Besuch entsprechend Zeit nehmen, denn Domnul Grad ist - wie gesagt - nicht mehr der Jüngste. Zum letzten Weihnachtsfest traf ihn zwar nicht der Schlag, aber ein böser Sturz - der Teufel hole das Glatteis! - zwang ihn, die anstehenden Arbeiten abzubrechen und das Bett zu hüten. Seine Tochter aus dem fernen Baia Mare erbarmte sich ihres Vaters, und kam zu Hilfe geeilt. Wie mir Gheorghe Grad erzählte, sind - wie das Schicksal so spielt - ausgerechnet seine von ihm entfernt lebenden Kinder besser und fürsorglicher zu ihm, als die in der Nähe (Mittelwischau) lebenden. Die hätten sich nämlich in den letzten schwersten Monaten seines Lebens seit dem Sturz und Beinbruch nicht einmal blicken lassen.

Mittlerweile hat sich Domnul Grad wieder erholt. Und noch ein Wunder ist geschehen! Zum Beweis der erstaunlichen Tatsache, dass auch am "Ende der Welt" die Welt noch lange nicht zu Ende ist, hat sich in diesem Frühjahr ein Wandermönch bei ihm niedergelassen.

Gleich neben dem Grab seiner Frau, Ana Grad, befindet sich auch das Grab seines Bruders. Abgesehen von einigen unliebsamen Familienmitgliedern, werden hier wohl einige der Familie Grad ihre Ruhe finden.
Gheorghe Grad hat zu Pferden ein besonderes Verhältnis entwickelt, denn sie sind sein wichtigstes Verkehrsmittel. Jahrelang ist er auf ihnen ins tiefer gelegene Land hinabgeritten, um seine Besorgungen zu erledigen.
Alexander und Gherghe Grad am Kreuz vor der Kirche.
Unten: Domnul Grad zu Besuch im Valea Vinului Nr. 84
Alexander, so heißt oder nennt sich der Mönch, ist erst 33 Jahre alt. Er stammt aus Bistritza und hatte schon geraume Zeit im renomierten Kloster von Piatra Neamt leben und arbeiten können. Doch irgendetwas muß er sich zu Schulden haben kommen lassen, jedenfalls war er von einem Tag zum anderen gezwungen, sich auf Wanderschaft zu begeben. Bis er dann in diesem Frühjahr in Poiana de Sub Munte vom dortigen Preoten auf die Existenz dieses kleinen Kirchleins hingewiesen wurde. Seine Wanderschaft ist nun ersteinmal beendet, denn die Kirche hat ihm - was man verstehen kann - auf Anhieb sehr gefallen.
Zu Domnul Grad hat er, wie er selber sagt, ein brüderliches Verhältnis aubauen können. Er hilft ihm bei der Gartenarbeit, sie teilen sich die Mahlzeiten und - was ja besonders wichtig ist - Mönch Alexander bringt spirituelles Leben in die Kirche. Dreimal täglich wird nun gebetet. Am 20. Juli, dem Namenstag der Kirche
(Sfintu Ilie) ist ein großes Fest geplant. Dann sollen 4 Preoten und mehrere Dutzend Gläubige am ansonsten eher einsamen und besinnlichen Ort erscheinen. Alexander träumt schon von einem Kirchenneubau und der Gründung eines richtigen Klosters. Hierbei erhofft er sich Hilfe von überall. Wer mit ihm zusammentrifft, der sollte nicht kleinlich sein, und mit einer Spende dieses Vorhaben unterstützen. Denn letztendlich kommt es ja auch Domnul Grad zugute.
Erstaunlicherweise träumt der alte Kirchenstifter nun einen ganz anderen, eher weltlichen Traum. Er möchte eine Cabana errichten lassen, und Touristen anlocken. Man kann darüber denken wie man will, aber ich möchte darin erinnern, dass über sein Kirchlein und seine fixe Idee, ausgerechnet hier ein Kloster zu gründen, in den letzten Jahren auch viel gelächelt wurde. Doch scheinbar liegt Domnul Grad mit seinen Visionen nicht so daneben, es ist halt alles nur eine Frage der Zeit ...