30. September 2001. Früh am Morgen. Die "Cozia-1" steht auf dem vorbereiteten Gleisbett am improvisierten Bahnhof der "R.G. Holz Company". Wo sich sonst düstere Gestalten rumtreiben, tönt ein Blasorchester glasklar in die Morgenluft. Anlaß dieser feierlichen Stimmung ist die beabsichtigte Einweihung eben jener Dampflok mit der geheimnissvollen Nummer 764.408. Auf dem Gelände herrscht große Aufregung, und erstmals in der Geschichte der Waldbahn von Oberwischau und seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges stehen mehr Uniformierte als Zivilisten herum. Die Waldbahn glänzt, als wäre sie von den Angestellten liebevoll mit Speck eingerieben worden. Nichts scheint mehr so zu sein, wie es schon immer gewesen war.
Der neue Wagon - La multi ani! Zwanzig Jahre alte Instrumente
Die "Cozia-1" fährt, flankiert von zwei weiteren Dampfloks, hinauf ins berüchtigte Wassertal nach Faina. Oben angekommen, wird sie endlich ihre priesterliche Weihung erhalten. Es wirkt wie eine ihr auferlegte, letzte schwere Prüfung, bevor sie mit Gottes Segen für das Wohl der "R.G.Holz Company" und zur Freude der zahlreich anreisenden Eisenbahntouristen weiter fahren darf. Zwar ist sie schon seit Mitte Juni fast täglich unterwegs, doch ohne Taufe ein sehr gewagter und deshalb unerträglicher Zustand ... Glücklicherweise fährt ein Blasorchester mit. Von allen Seiten dampft und zischt es auf die erregten Passagiere ein.
 Die Noten aus dem Kopf und der Tuica aus der flasche Bregovic läßt grüßen
Mütze über Bord Haltung bis zum bitteren ende bewahrt
Schon nach der zweiten Kurve erscheint die erste Flasche Tuica. Sie macht ihre Runde und beim im offenen Wagen herrschenden Gerüttel und Geschüttel verteilt sich der Tuica schnell in den Körpern der Passagiere. Nach der dritten Kurve ist die erste Flasche auch schon alle. Diesmal mangelt es nicht an Brennstoff, und dem Eingeweihten wird schnell klar, das der Tag das halten wird, was er schon so früh zu versprechen beginnt.
10 Stunden geblasen ... ... und gesungen!
Von Stereo bis Quatro Immerund überall im Einsatz: Steffen S., Fotograf aus Berlin
Damit hier kein Mißverständnis entsteht, sei Folgendes bemerkt. Die Passagiere der "Fahrt ins Leben" haben besten Grund, ausgelassen zu feiern! Denn am 3. März 2001 war eine Katastrophe über sie hereingebrochen. Nach einem Jahrhunderthochwasser im Wasser (Vaser) tal war auf über 7 km Strecke die Trasse dermaßen zerstört worden, daß der Bahnverkehr umgehend eingestellt werden mußte. Das hatte die sofortige Entlassungen hunderter Arbeiter zur Folge. Für die Region und Oberwischau bahnte sich eine unvergleichliche soziale Katastrophe an! Dank der Initiative von "Comvasilica", der "R.G.Holz Company" und des Vereins "Hilfe für die Wassertalbahn/Rumänien" konnten in nur 4 Monaten Bauzeit die größten Schäden behoben werden. Die dafür aufgewendete Geldsumme sprengte jeden hier vorstellbaren Rahmen, doch der womöglich reichste Mann Oberwischaus und größte Arbeitgeber dieser Gegend, Herr Coman, verfügte über die nötigen Reserven. Auch er hatte keine andere Chance, denn das Holz aus dem Wassertal ist sein Kapital. Wer kann und will es den Leuten also verübeln, an diesem Tag etwas wilder als sonst gefeiert zu haben ...
Generaldirektor Coman, reicher gehts nicht in Oberwischau ...
Michael Schneeberger - Retter in der Not ...
Glückliche Arbeiter mit "diploma de onoare"
Chef der Holz Company und Bürgermeister Oberwischaus bedanken sich
Ein kurzer und schmerzloser Gottesdienst, die Anschließende Weihung der "Cozia-1", der beeindruckenden Neuanschaffung der "R.G.Holz Company" und die Verleihung dutzender Diplome - sprich Auszeichnungen - für die Arbeiter am Trassenbau wurden schnell erledigt. Doch dann kam die eigentliche Überraschung: Für über 200 Personen brach kurzzeitig wieder eine goldene, kommunistische Epoche an. Gratis Bockwürste, Bier und Tuica bis zum Umfallen. Da kannte die Freude keine Grenzen mehr und es kam allen Orten zu Verbrüderungsszenen zwischen den schnell angeheiterten Oberwischauern. Es wurde getanzt, gesungen, sich umarmt, geweint und gelacht, und die Schranken zwischen arm und reich schienen für einen Augenblick überwunden ...
Alles was Blasen kann macht mit bei der Fanfare
Oberbläser und Meistertrinker
Gratis Bier und
... und die unausweichlichen Folgen ...
des Kommunismus am Beispiel einer Babe
Nachdem der Alkoholspiegel bedrohlich den Pegelstand des Wasserflusses zu übersteigen drohte, fuhren die wie ferngesteuert wirkenden Dampflokomotiven zur Heimfahrt vor. Wer jetzt noch Geduld und Nerven hatte, und wohlweislich den letzten Zug nahm, der saß im "Zug des Lebens". Was hier in den nächsten Stunden geschah, läßt sich nicht annähernd mit Worten beschreiben! Glücklicherweise dauert die Rückfahrt wenigstens zwei Stunden, also ausreichend Zeit, vom Repertoire rumänischer Gesangskunst ab 1 Promille aufwärts und der "Fanfare Baia Borsa" Bekanntschaft zu machen, beziehungsweise von den Musikern nachhaltig eingeheizt zu werden. Die Bosse der beteiligten Firmen und diverse Stadtoberhäupter gesellten sich spontan in die ausgelassene Gruppe, und man hatte den Eindruck, in einem ewig fahrenden Zug zu sitzen. Diese unendliche "Fahrt ins Leben" wünsche ich von ganzem Herzen der Wassertalbahn und mehr oder weniger uns allen daran beteiligten!
Ein Schweizer unter der Tarnkappe der CFF aufsteigende Nebel ...
Nicht nur die Bahn steht unter Volldampf ... Der Chef der "Fanfare Baia Borsa"
Im offenen Wagon Leopold Langtaler mit seiner Schwester
Musik für Mensch u n d Tier!